bericht180717

Mit 6 Zoll Glas unter sommerlichem Taunushimmel


    Datum: 16.07.18 auf 17.07.18
    Ort: Presberg
    Zeit: 22:30-1:30 Uhr
    Durchsicht erst Zirren dann 2/5, Luftruhe 2-3/5
    Geräte: 6" f/5,9 TS Individual, 16" f/5 "Weißer Elefant"

    Am 16. Juli dieses Jahres sollte wieder unser monatliches Treffen von der Sternwarte Presberg stattfinden und die Wetterprognosen für den Abend sahen gar nicht so schlecht aus. So entschied ich rauszufahren und die langwierige Anfahrt von etwa einer Stunde in Kauf zu nehmen, obwohl am Wochenende zuvor mein Auto einen Totalschaden erlitten hat und ich nur mit einem schwach motorisierten Ersatzfahrzeug unterwegs war. Ich wollte unbedingt meinem gebraucht erworbenen Richfield-Refraktor 6" f/5,9 erstes Sternenlicht gönnen. Bei der Ankunft auf der Sternwarte gegen 21 Uhr war es noch hell und angenehm warm. Friedhelm, Ingo und Stefan waren schon vor Ort und mit Graspflegearbeiten rund um die Sternwartenhütten beschäftigt, später sollte noch Jan dazu stoßen. So wurde dann zunächst ausgiebig vor der Vereinshütte geschwätzt, unter anderem auch über die bald Anstehenden Aktivitäten des Vereins im Rahmen der totalen Mondfinsternis am 27. Juli, ein Event im Wispertal mit einer Jugendgruppe zum Perseidenschauer und der Sternennacht in Laufenselden auf dem Flugplatzgelände im September, bei dem viele Vereine aus der Umgebung mitwirken sollen.

    Ab 22:30 war es dann ausreichend dunkel, um die ersten Beobachtungen durchzuführen, der Himmel war allerdings noch mit vielen Zirren verhangen, die hauptsächlich von den Kondensstreifen der Flugzeuge, welche sich im Anflug auf die neue NW-Landebahn des Frankfurter Flughafens befanden, herrührten. Während Friedhelm, Ingo und Stefan zunächst eine kleine Wanderung zum Nachbargipfel, dem Kerscherkopf machten, um die Location zu observieren, wo das Event zur totalen Mondfinsternis stattfinden soll, haben Jan und ich schon mal unsere Geräte aufgebaut. Jan war lediglich mit einer kleinen Montierung und Spiegelreflexkamera angerückt, um Milchstrassenaufnahmen zu machen. Ich habe derweil einen sehr plastisch wirkenden Mond genossen, der in leichte Zirren eingehüllt war und bei 29x (31mm Nagler) schon sehr viele Details auf seiner Oberfläche erkennen ließ. Spaßeshalber habe ich dann mal die Vergrößerung auf 113x (8mm Ethos) und 150x (6mm Ethos) hochgeschraubt. Bei 150x wird dann schon ein deutlicher Farbfehler sichtbar, das Bild war aber immer noch von erstaunlich guter Schärfe. Noch deutlicher wurde der Farbfehler bei Jupiter, bei 29x noch kaum wahrnehmbar, liegt bei 113x und besonders bei 150x ein blauvioletter Halo über der Jupiterscheibe, der natürlich den Kontrast reduziert, das Bild war aber immer noch von guter Schärfe und viele Oberflächendetails wurden sichtbar. Nicht ganz so extrem war der Farbfehler bei Saturn wahrnehmbar, hier wurde bei 150x die Cassiniteilung in den Ansen sichtbar und dies bei niedrigem Stand und schlechtem Horizontseeing.

    Danach wurden die ersten Deepsky-Objekte eingestellt. M57 stand schon fast im Zenit und war nicht von Zirren bedeckt, schon bei 29x als kleiner Ring erkennbar, besser, mit aufgehellter Mitte bei 113x. Im 162er wird die zentrale Aufhellung richtig deutlich, bei 330x (6mm Ethos) erscheint ein leicht strukturierter Ring mit zentraler Aufhellung aber ohne Zentralstern. M4 neben Antares war nicht sichtbar, zuviele Zirren dort und noch nicht komplett dunkel. Der Kugelsternhaufen M3 zeigte bei noch nicht vollständig dunklem Himmel selbst bei 150x nur wenig Einzelsterne und ähnelte eher einem Wattebausch, denn einem Sternhaufen. Nicht viel besser im 16"er von Friedhelm, ein paar mehr Einzelsterne aber insgesamt enttäuschend. Selbiges galt für den Kugelsternhaufen M13, der später gegen 1 Uhr aber nochmals angefahren wurde und dann bei 150x im 6"er schön gesprenkelt war, mit vielen Einzelsternen und auslaufenden Sternketten.

    Der Hantelnebel M27 offenbarte ohne Filter schön die Hantelform allerdings ohne "Ohren". Ganz anders im 16"er bei 143x (14mm Meade UWA), tolle Marmorierung des Zentralbereichs mit dünnen Außenbereichen (Ohren) sichtbar. Der Richfield-Refraktor offenbarte dann seine Stärke an den großflächigen Objekten, NGC7000 (Nordamerikanebel) war mit 29x und UHC- und noch besser mit OIII-Filter komplett im Gesichtsfeld sichtbar, mit leichter Marmorierung, wunderschön. Noch besser, mit sehr viel mehr Details, kam der Anblick des Cirrusnebel mit OIII-Filter bei 29x Vergrößerung. Das Objekt passt auch hier gerade so komplett ins Feld, mit leichten Schwenks kann einfach von der "Knochenhand", dem Westteil des Nebels über "Pickerings Whisp" (Mittelteil, sehr leicht zu sehen, mit dünnen, fadenförmigen Ausläufern nach Süden) zum "Sturmvogel" schwenken, ohne sich zu "Verlaufen", wie das am 16"er leider oft passiert ist. Die "Knochenhand" erschien mit vielen Filamenten sehr strukturiert, der "Sturmvogel" mit dreigliedrigem Kometenschweif als Ausläufer nach Süden, sehr toll. Natürlich werden im 16"er noch viel mehr Details sichtbar, insbesondere im "Sturmvogel" und "Pickerings Whisp", aber der Gesamteindruck des Supernovaüberrests in Form einer einer Gasschale ist einfach im Richfielder besser.

    Anschließend ging es wieder in südlichere Gefielde, wo die Zirren sich mittlerweile aufgelöst hatten, nämlich zu M16 (Adlernebel) und M17 (Omeganebel oder Schwanennebel). Bei 29x mit OIII-Filter sind beide Objekte im Gesichtsfeld, M16 etwas schwächer mit eingebettetem Sternhaufen und weniger Details, M17 mit der hellen, "schwanenförmigen" Struktur, welche deutlich marmoriert erscheint, und einem bogenförmigen Halo. Ohne OIII-Filter waren beide Objekte relativ unspektakulär und M16 an der Wahrnehmungsgrenze, wegen Horizontbeleuchtung durch das Industriegebiet Bingen. Selbiges galt auch für das benachbarte Pärchen M20 (Trifidnebel) und M8 (Lahgunennebel), beide aber mit OIII sehr schön sichtbar, M8 mit einer dunklen Teilung, marmoriertem Nebel und eingebettetem Sternhaufen, M20 jedoch nur als schwacher Nebel ohne die charakteristische, dreiteilige Dunkelstruktur im Zentrum, weil wahrscheinlich nur der Reflexionsnebel sichtbar war. Leider habe ich den UHC-Filter bei dem Objekt nicht ausprobiert. Oberhalb vom "Teekännchen", dem Sternbild Schütze, wurde dann noch M22 eingestellt, der aber aufgrund der Horizontaufhellung auch nicht so brillant erschien, wie unter einem dunklem La Palma Himmel. Immerhin waren die enorme Größe sowie einige Einzelsterne erkennbar.

    Danach ging es wieder in nördliche Regionen zu einigen Galaxien im Großen Bären und den Jagdhunden. Zuerst M51 bei 113x mit 2mm AP am besten, mit angedeuteten Spiralarmen und Begleitgalaxie sichtbar. Im 16"er kommen die Spiralarme dann richtig gut raus, obwohl der Kontrast wegen des nicht perfekt dunklen Himmels auch nicht optimal ist. Anschließend wurde dann noch M101, die "Feuerradgalaxie" im 6" Richfielder eingestellt, diese war zwar leicht sichtbar aber nur als großer, fast kreisrunder Nebelfleck ohne Struktur. Hier zeigte sich wieder, dass dieses Objekt einen richtig dunklen Himmel benötigt, um Details erkennen zu lassen. Stefan kam dann auf die Idee NGC4490 (Cocoon-Galaxy) in de Jagdhunden einzustellen, da sie mittels Beta-CVn als Aufsuchstern recht schnell zu finden wäre. Bei 113x zeigte sich dann auch schnell eine elliptische Galaxie ohne Struktur mit einem rechtwinklig dazu stehenden Begleiter NGC4485, welcher als extrem schwacher Nebelfleck am Rande der Wahrnehmungsgrenze erschien. Das Pärchen ist gravitativ gekoppelt und wird auch unter dem Namen Arp269 geführt.

    Mitlerweile hatten sich Ingo und Stefan verabschiedet, da sie am nächsten Tag früh raus mussten, es war nun schon fast 1 Uhr und auch Jan begann mit dem Abbau seiner Fotoausrüstung. Ich stellte danach noch das Pärchen NGC6946 + NGC6939 im Sternbild Cepheus ein, die Fireworks-Galaxie, berühmt durch häufig in ihr auftretende Supernovaexplosionen, und den benachbarten offenen Sternhaufen. Bei 29x standen beide sofort sichtbar eng benachbart im Gesichtsfeld, beide aber nur als strukturlose Nebelfleckchen, die Galaxie jedoch mit einer leicht von der Kreisform abweichenden Form. Eine höhere Vergrößerung habe ich mir erspart, da ich unbedingt noch einen Blick auf den "Elefantenrüssel-Nebel" IC 1396 werfen wollte. Dieser war im Richfielder bei 29x mit OIII-Filter komplett im Gesichtsfeld sichtbar, allerdings nicht als kreisrunder Nebel, sondern eher als ein großer Bogen. Ich vermute, dass nur der helle nordöstliche Teil des Nebels sichtbar war.

    Im Anschluss wurde abgebaut, es war mittlerweile 1:30 und auch Friedhelm und ich mussten am nächsten Tag zur Arbeit und mir stand noch eine einstündige Autofahrt mit zu erwartendem Wildwechsel bevor. Das schöne ist, dass so ein Refraktor in nullkommanichts abgebaut ist, einzig die Schlepperei der vielen schweren Teile (Refraktor, Gabelmontierung und Stativ) ist etwas unangenehm, insbesondere beim Hochschleppen in die Wohnung. Die Sternwartenhütte über dem 16"er war dann auch schnell zugeschoben und ich konnte die Heimreise antreten, eine ruhige Fahrt, ohne besondere Ereignisse, was schon eher ungewöhnlich ist, in der hohen Taunuslage. Es war jedenfalls schön mal wieder visuell beobachtet zu haben, was auf La Palme im Juni viel zu kurz gekommen ist. Der 6"-Richfielder-Achromat hat sich jedenfalls als sehr schönes Deep-Sky-Gerät erwiesen und wird sicherlich das ein oder andere mal meinen 4"-Doppelrefraktor-Apochromaten aus dem Rennen schlagen, wenn es um Weitfeldbeobachtungen geht.

    Clear Skies Thomas

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