bericht210306

Eine kalte Winternacht am Kerzerkopf mit unerwarteten Gästen


    Datum: 06.03.21 auf 07.03.21
    Ort: Presberg
    Zeit: 20:30-1:30 Uhr
    Durchsicht 1-2/5, Luftruhe 1-2/5, Bortle 5
    Geräte: 6" f/5,9 Bino, 16" f/5 "Weißer Elefant"

    Am ersten Märzwochenende 2021 sollte es dank eines Hochs über Norddeutschland klaren Himmel im Rhein-Main-Gebiet geben, und das bei einer kleinen, abnehmenden Mondphase. So verabredeten Ingo und ich uns auf der Sternwarte der AAG Rheingau in Presberg am Fuße des Kerzerkopfes, um ein wenig visuell mit dem "Weißen Elefanten" zu beobachten und, um endlich einmal meinem neuen 6"-Selbstbaubino ein würdiges "First Light" zu bescheren. Das Gerät war zwar schon einmal im Feld, allerdings unter schlechten Himmelsbedingungen und mit nahezu vollem Mond, so dass im Grunde nur die Funktion getestet aber nicht die volle Leistungsfähigkeit im Deep Sky Bereich ausgenutzt werden konnte.

    So zottelte ich am Samstagabend nach einem entspannten Abendessen gegen 19:30 in Richtung Presberg los. Nach einer ruhigen Fahrt traf ich gegen 20:15 an der Sternwarte ein, wo Ingo bereits seinem Camper rückwärts an die Sternwarte rangefahren hatte und damit beschäftigt war, den "Weißen Elefanten" betriebsbereit zu machen. Ein kurzer Blick auf die Remote-Sternwarten unserer beiden Sternfreunde Friedhelm und Horia zeigte an, dass diese gerade nicht in Betrieb waren, man konnte also gefahrlos beim Aufbau mit Licht rumhantieren. So startete ich zunächst damit meine kleine iOptron Deep Sky Guider Pro Montierung mit meiner Canon 60Da und 200mm Tele aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. Ziel war dabei der Supernovaüberrest Simeis 147, ein gutes Testobjekt für meinen Cyclops Optics Dualbandfilter. Anschließend wurde dann mein Bino auf die Einarm-Montierung mit Gegengewicht aufgesattelt und direkt einmal auf M42 ausgerichtet.

    Just in dem Moment, als ich einen Blick durch das Gerät werfen wollte, wurde ich von einer unbekannten Stimme rücklings angesprochen. Ich bin zunächst etwas erschrocken, da ich dies gar nicht erwartet hatte. In einigem Abstand hinter mir stand ein maskiertes Pärchen, das ganz freundlich auf mich einredete und fragte, was ich denn gerade beobachten würde. Im ersten Moment verdattert, erklärte ich, was ich gerade tat und fragte einmal nach, mit wem ich es denn zu tun hatte. In dem Moment kam Ingo von der Vereinshütte zurück und begrüßte die beiden als die neuen Mitglieder in der AAG, Silke und Tomasz. Aha, zwei neue Hobbyastronomen also, ich fing an mich wieder zu entspannen. Die beiden waren einfach einmal auf gut Glück zur Sternwarte hochgefahren, weil der Himmel so schön klar war und hatten ihr Auto weiter vorne vor dem Presberger Hof abgestellt, so dass ich ihre Ankunft nicht bemerkt hatte. So entwickelte sich dann, natürlich unter Wahrung der Abstandsregeln, ein lustiger Beobachtungsabend, bevor uns die beiden gegen 22 Uhr wieder verlassen haben.

    Während Ingo am "Weißen Elefanten" zunächst den Eskimonebel einstellte, surfte ich mit meinem Bino etwas im Großen Hund herum, der genau vor mir im Süden stand. M41 unterhalb von Sirius sah prächtig aus mit funkelndem Sternengeglitzer und einem rötlichen Stern im Zentrum des Haufens, sehr schön. M46 und M47 das ungleiche Pärchen passte noch locker gemeinsam ins Blickfeld meines Binos (2x Baader Hyperion Aspheric 36mm, knapp 3° wahres Feld), der Haufencharakter des samtigen M47 neben dem knackigen M46 kam sehr gut zur Geltung. Mit UHC/OIII-Filter war in M46 sofort auch der runde planetarische Nebel NGC2438 zu erkennen, allerdings bei 25x nicht als Ring. Schnell konnte ich danach noch einen Blick auf dem Eskimonebel im "Weißen Elefanten" erhaschen, schön strukturiert, mit innerem Ring und diffusem äußeren Ring. Dabei fiel auf, dass das Seeing doch sehr gut zu sein schien und so schlug ich vor, doch einmal einen Versuch zu wagen Sirius zu trennen, zumal die beiden Komponenten A und B zurzeit mit 12" recht weit voneinander getrennt sind. Bei einer Vergrößerung von etwa 300x am "Weißen Elefanten" glaubten Ingo und ich tatsächlich auch immer mal wieder etwas aufblitzen zu sehen, allerdings an unterschiedlichen Positionswinkeln, so dass eine Sichtung nicht sicher bestätigt werden konnte. Eine Trennung von Rigel gelang hingegen problemlos, obwohl der Abstand kleiner ist (9,5" statt 12" bei Sirius), da der Begleiter von Rigel 6,6mag hat anstelle von 8,5mag beim Begleiter von Sirius. Währen Ingo mit unseren Gästen einen Blick auf den im goldenen Tor der Ekliptik stehenden Mars warfen, habe ich mit meinem Bino ein paar Standardobjekte angefahren: M42, schön mit auslaufenden Schwingen und Trapez bei 25x klar in 4 Sterne aufgelöst, der Flammennebel NGC2024 schwach sichtbar aber mit dunklen Strukturen im Zentrum, die Plejaden M45 eher unspektakulär, Meropenebel nur schwach sichtbar, was sicher auch dem nicht perfekt dunklen Himmel geschuldet war.
    Am "Weißen Elefanten" stellte Ingo gerade den Rosettennebel ein, ein gutes Testobjekt auch für mein 6"-Bino. Dazu habe ich zunächst zwei UHC-S-Filter (die einzigen 2"-Filter, die ich doppelt besitze) eingeschraubt, damit war der Rosettennebel zwar sichtbar aber unspektakulär. Eine Verbesserung brachte die Kombination von UHC-Filter am linken und OIII-Filter am rechten Okular, hier war der Rosettennebel nun deutlicher zu sehen, allerdings immer noch nicht so gut, wie ich ihn an wirklich dunklen Standorten schon mit kleineren Öffnungen gesehen hatte. Tja, das Rhein-Main-Gebiet hat halt seine Licht- und Schattenseiten! Auch fiel mir auf, dass im Norden der Sternwarte der Himmel mittlerweile sehr hell erleuchtet ist, wahrscheinlich eine Folge der zunehmenden Ausstattung von Gemeinden mit LED-Beleuchtungen :-( Mit der UHC/OIII-Filterkombination wurde dann auch noch das Objekt des Monats März aus dem Astrotreff, der Quallennebel angesteuert. Leider war an der identifizierten Position nichts auszumachen. Dieser Supernovaüberrest ist ein schwieriges Objekt, das einen dunklen Himmel und viel Öffnung benötigt. Der Affenkopfnebel NGC2175, das Objekt es Monats Januar, war dagegen problemlos sichtbar, wenn auch bei 25x strukturlos. Am "Weißen Elefanten" probierten wir dann noch den Pferdekopfnebel mit H-Beta-Filter. Nachdem die Position zweifelsfrei lokalisiert war, konnten wir den Nebel trotzdem nicht eindeutig identifizieren. Der Himmel schien etwas zu hell zu sein, grundsätzlich geht der Pferdekopf an diesem Standort, ich hatte ihn dort in meinem 16"er schon eindeutig gesehen!

    Nachdem unser Gastbeobachter uns gegen 22 Uhr wieder verlassen hatten, haben Ingo und ich uns zunächst einige Sternhaufen im 6"-Bino angeschaut, M36, M37 und M38 im Fuhrmann wunderschön aufgelöst und brilliant, unterhalb von M38 auchnoch der kompakte Haufen NGC1907 schön aufgelöst. Für Ingo wurden dann nochmal M46 und M47 eingestellt, deren Anblick bei ihm Begeisterung auslöste. Etwas westlich davon konnte dann auch noch der Wolf-Rayet-Nebel "Thor's Helm" NGC2359 ohne Filter gefunden werden, der aber bei 25x recht kompakt und strukturlos daherkam. Ingo stellte dann am "Weißen Elefanten" Hubble's Variablen Nebel ein, der im 13er Ethos (150x) schön kometenartig zu erkennen war, im 6"-Bino bei 25x aufgrund seiner geringen Größe aber nur schwierig zu lokalisieren war, dann aber doch sicher gesehen werden konnte, sehr schön mit dem Weihnachtsbaum-Haufen NGC2264 zusammen im Feld. Ein kurzer Schwenk in Krebs führte zu M44 der "Krippe", im 6"-Bino sehr groß, das ganze Gesichtsfeld ausfüllend, sehr sternreich. Wesentlich besser dagegen M67 am unteren linken Fuß des Krebs, ein sehr sternreicher aber kompakter Haufen, toll im Bino, weil noch genügend Feld drumherum. Danach wollte ich unbedingt M93 einstellen, den ich noch nie beobachtet hatte, eine Premiere quasi. Ein sehr schöner offener Sternhaufen mit einer ungewöhnlich V-förmigen Struktur der Sterne und somit auch eindeutig zu identifizieren.

    So langsam frohen Ingo und mir langsam die Füße ein, so dass Ingo vorschlug sich einen Moment in seinen Camper zu setzen, der wohltuenderweise mit einer Standheizung ausgestattet war, und einen heißen Tee zu trinken. Dies wurde von mir dankenderweise angenommen und so wurde aus einem Moment über ein paar Schwätzchen geschwind eine halbe Stunde. Gestärkt und vor allem aufgewärmt ging es dann wieder ins Freie, für die finale Beobachtungssession, Galaxienzeit.

    Dafür schlug Ingo zunächst aber vor den Asteroiden Vesta einmal aufzusuchen, der zurzeit gerade günstig und hell (5,8mag) im Sternbild Löwe seine Oppositionsschleife zieht. In seinem Nikon 8x32 Fernglas hat Ingo ihn mittels seiner Aufsuchkarte schnell gefunden. In meinem 6"-Bino dauerte es wieder mal etwas länger, weil ich zum wiederholten Male verdrängt hatte, dass mein Bild seitenverkehrt ist (dies bin ich durch mein 4"-Bino mit Matsumoto-Umlenkeinheiten und somit seitenrichtigem Bild nicht gewöhnt!). Danach standen dann Galaxien auf dem Programm. Zunächst M51, im 6"-Bino (25x, AP6mm) hell und deutlich mit Begleitgalaxie und leicht marmoriert, M101 groß rund, hell aber ohne Struktur. Ganz anders im "Weißen Elefanten", M101 mit eindeutigen Spiralarmen und vielen Knoten darin sichtbar, M51 eindeutig mit Spiralarmen und Brücke zur Begleitgalaxie. Das Leo-Triplett hatte sich mittlerweile aus der helleren, östlichen Himmelsregion herausbewegt und war im 6"-Bino eindeutig zu sehen, der "Hamburger" etwas schwächer aber eindeutig. Auch die Gruppe um M95, M96 und M105 mit seinen drei Begleitern war sehr schön wahrzunehmen im 6"-Bino, ebenso Makarians Galaxienkette im Sternbild Jungfrau, die Ingo schnell eingestellt hatte, sehr schön komplett im Feld, obwohl nicht ganz so knackig, weil in der östlichen Himmelsgegend mit aufgehelltem Himmel stehend. Danach ging es zur Spindelgalaxie NGC4565 die im Bino hochkant stand mit angedeutetem Staubband. Im "Weißen Elefanten" dann groß und hell mit deutlichem Staubband, sehr schön. Wir haben dann noch M64, die "Black Eye Galaxie" im "Weißen Elefanten" eingestellt, die aber mit nicht ganz so dunklem "Auge" rüberkam, um uns danach noch ein paar Kugelsternhaufen zu widmen. Der NGC5466 kam aufgrund des helleren Osthimmels nicht so gut rüber, die typischerweise sehr schwachen Sterne sind im Hintergrund etwas abgesoffen. Im 6"-Bino wurde dann noch das Pärchen M53 und NGC5053 im Sternbild "Jagdhunde" aufgesucht, wobei der schwache NGC5053 grenzwertig war.

    Uns überfiel danach schlagartig die Müdigkeit und auch waren die Füße mittlerweile wieder kalt geworden, sodass wir entschieden die Beobachtungsnacht an dieser Stelle abzubrechen. Das Abbauen der Ausrüstung geht glücklicherweise immer schneller von der Hand, als der Aufbau, sodass wir uns gegen 1:30 verabschiedeten. Die entspannte Rückfahrt sollte für mich dann auch noch eine knappe Stunde dauern und war von einigen Rehen im Taunuswald begleitet. Typischerweise muss ich dann nach der Ankunft zuhause erstmal etwas trinken und essen, um wieder runterzukommen. Ich bin dann erst nach 3 Uhr endlich ins Bett gefallen. Schön war's mal wieder, nach längerer Zeit eine visuelle Beobachtungsnacht genießen zu dürfen, der kommende Sommer lässt auf mehr hoffen.

    Clear Skies Thomas

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